Methode RisikoStraße

Überschuldung, Gepäck beschädigt oder Arbeitsunfall – Wie wahrscheinlich passieren Ihnen im nächsten Jahr diese Dinge?

Herausforderung in der Risikokommunikation

Kommunikation unsicherer Ereignisse gegenüber Verbrauchern.

 

Warum ist es relevant, die Risikoeinschätzungen von Verbrauchern zu verbessern?

Wunsch und Ziel ist, dass der Verbraucher bessere Entscheidungen trifft. Dazu ist es notwendig, genaue Zahlen und Fakten – die sogenannte Evidenz – zu kennen, um Optionen gegeneinander abwägen und Risiken besser einschätzen zu können. Dies ermöglicht ihm informierte Entscheidungen. Außerdem wird der Nutzer durch die Darstellung der bekannten Eintrittswahrscheinlichkeiten darin unterstützt, bestimmte Risiken nicht zu unter- oder zu überschätzen.

 

Warum ist es schwierig, unsichere Ereignisse gegenüber Verbrauchern zu kommunizieren?

Möchte man Risiken kommunizieren, steht man vor einer Reihe an Herausforderungen: 

  • Wie können Eintrittswahrscheinlichkeiten überhaupt vermittelt werden? 
  • Wie können sehr seltene Ereignisse so kommuniziert werden, dass sie auch als selten erkannt werden?
  • Wie können Risiken mit extrem unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten vergleichbar gemacht werden? 
  • Und wie können die Risiken in einer ansprechenden Form dargestellt werden, sodass Verbraucher auch Lust haben, sich damit zu beschäftigen? 
Welcher wissenschaftliche Lösungsansatz bietet sich an?

Die Methode der Risikostraße kann bei Problemen des Risikos eingesetzt werden – wenn also belastbare Zahlen vorliegen, wie häufig bestimmte Ereignisse eintreten. Durch Einsatz der Risikostraße soll den Verbrauchern ein Verständnis für die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse vermittelt werden. Sie geht zurück auf Forschungen zur Risikoleiter bzw. Paling Perspective Scale (Paling, 2003; Singh & Paling, 1997).

Eintrittswahrscheinlichkeiten werden in der Risikostraße in absoluten Häufigkeiten mit der Referenzgruppe 100.000 kommuniziert. Eintrittswahrscheinlichkeiten seltener Ereignisse lassen sich durch visuelle Vergleiche verschiedener Ereignisse verständlich kommunizieren. 

Das Problem bei der gemeinsamen Darstellung von sehr seltenen und eher häufigen Ereignissen ist eine korrekte Abbildung im Verhältnis. Während eine logarithmische Skala (klassisch auch als Risikoleiter bezeichnet) mathematisch akkurat ist, wird sie oft zu schlecht verstanden. Sie kann auch zu höherer Risikowahrnehmung führen (Siegrist et al., 2008). Dies kann z.B. Verbraucher mit begrenzten numerischen Fähigkeiten treffen (Hess et al., 2011; Keller & Siegrist, 2009). Die klassische lineare Skala, wie der Zahlenstrahl aus der Schule, hingegen, bräuchte dann sehr viel Platz, um auch den sehr seltenen Ereignissen sichtbaren Platz einzuräumen. Dieses Spannungsfeld wird in der Risikostraße durch die Ausnutzung der gestalterischen Perspektive im Raum sowie den Einsatz von Interaktion aufgelöst. Seltene Ereignisse sind entfernt, schwer zu erreichen und klein visualisiert; häufigere Ereignisse werden als sehr viel präsenter und näher erlebt. Die logarithmische Skala im perspektivischen Design einer Straße, die zum Horizont verläuft, erleichtert so die Interpretation trotz unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeiten. Damit knüpft sie auch an Befunde zu logarithmischen Skalen an, die das natürliche Verständnis von Kindern und indigenen Gruppen ansprechen (Dehaene et al., 2008).

Am Anfang der Straße befinden sich die Risiken, die am wahrscheinlichsten eintreten, am Ende der Straße die eher unwahrscheinlichen Ereignisse. Der Nutzer kann sich durch die Straße und Ereignisse entlangklicken. Diese Interaktivität und Dynamik der Visualisierung sollen die Verbraucher informieren und gleichzeitig motivieren, sich mit der Visualisierung auseinanderzusetzen. Um den Vergleich von Risiken zu erleichtern, denn eine bloße Anhäufung kann auch störend wirken (Jansen et al., 2017), wurde ein kontrollierter Vergleich durch eine gesteuerte Liste ergänzt. Vergleiche vertrauter Risiken helfen auch Menschen, die begrenzte numerische Fähigkeiten haben (Keller et al., 2009; Keller, 2011).


Belege für die Wirksamkeit

Die Bündelung von unsicheren Ereignissen in einem Vergleich anhand eines zweidimensionalen Zahlenstrahls (z.B. Risikoleiter genannt) kann das Verständnis von seltenen Ereignissen verbessern. Unterstützend wirken hier die zahlreichen Vergleichsmöglichkeiten zu verschiedenen Ereignissen. Unsere Studien zeigen, dass dies auch das neu entwickelte perspektivische Prinzip hinsichtlich der persönlichen Risikowahrnehmung leistet.

Literaturempfehlungen zu den methodischen Grundlagen
  • Dehaene, S., Izard, V., Spelke, E., & Pica, P. (2008). Log or linear? Distinct intuitions of the number scale in Western and Amazonian indigene cultures. Science, 320(5880), 1217–1220.
  • Garcia-Retamero, R., & Galesic, M. (2010). Who proficts from visual aids: Overcoming challenges in people’s understanding of risks. Social Science & Medicine, 70(7), 1019–1025.
  • Hess, R., Visschers, V. H., Siegrist, M., & Keller, C. (2011). How do people perceive graphical risk communication? The role of subjective numeracy. Journal of Risk Research, 14(1), 47–61.
  • Janssen, E., Ruiter, R. A., & Waters, E. A. (2017). Combining risk communication strategies to simultaneously convey the risks of four diseases associated with physical inactivity to socio-demographically diverse populations. Journal of Behavioral Medicine, 1–15.
  • Keller, C., Siegrist, M., & Visschers, V. (2009). Effect of risk ladder format on risk perception in high‐and-low‐numerate individuals. Risk Analysis: An International Journal, 29(9), 1255–1264.
  • Keller, C. (2011). Using a familiar risk comparison within a risk ladder to improve risk understanding by low numerates: A study of visual attention. Risk Analysis: An International Journal, 31(7), 1043–1054.
Wie können Sie die Methode übernehmen?

Wenn Sie ein Verbraucherthema von unserer Internetseite übernehmen möchten, können Sie das über die folgenden drei Wege tun: 

1. Weg: Sie können die vorliegende Visualisierung einbinden
Es besteht die Möglichkeit, die Visualisierung von unserer Website samt Rahmentext über iframe einzubinden. Hierfür übernehmen Sie den folgenden html-Code für Ihre Webseite: <iframe frameborder="0" height="585px" src="https://static.risikoatlas.de/visualisations/risk-ladder/risk-ladder.html" width="1024px"></iframe>

Sie ist auch für mobile Endgeräte optimiert, sodass Sie sie in eine mobile Internetseite einbinden können.

2. Weg: Sie können die vorliegende Visualisierung adaptieren
Sollten Sie als Multiplikator Ihre eigenen Daten nutzen, können Ihre Webentwickler diese in Ihren eigenen Risikovergleich einpflegen.

Wir stellen Ihnen den dokumentierten Code für den Verantwortlichen Ihrer Webseite zum Download über github bereit. Sie können das Material dann editieren. Den Link zum Repository erhalten Sie auf Anfrage. Die Kontaktdaten finden Sie im Reiter Kontakt.

3. Weg: Sie können das wissenschaftliche Prinzip unabhängig anwenden
Wenn Sie hierbei Unterstützung benötigen, konsultieren Sie bitte den Abschlussbericht zum RisikoAtlas-Projekt ab Juli 2020 oder richten Sie eine Anfrage an uns. Die Kontaktdaten finden Sie im Reiter Kontakt.

Wir bitten darum, bei der Nutzung der Instrumente den Zuwendungsgeber, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, sowie das Harding-Zentrum für Risikokompetenz als verantwortliche Entwickler zu erwähnen.

Die Logos zum Download finden Sie hier.

Links zu weiteren Methoden
Visualisierung mit Rahmentext

Überschuldung, Gepäck beschädigt oder Arbeitsunfall – Wie wahrscheinlich passieren Ihnen im nächsten Jahr diese Dinge?

Der Zeitungskiosk um die Ecke wirbt mit den 12 Millionen Euro, die im Lotto-Jackpot schlummern. Und auch wenn Sie schon mal irgendwo gehört haben, dass ein Sechser im Lotto unwahrscheinlicher als ein Flugzeugabsturz ist, machen Sie Ihre Kreuzchen und warten voller Hoffnung auf die nächste Ziehung. Und natürlich gehen Sie leer aus. Damit sind Sie übrigens nicht alleine: So wie Ihnen geht es im Schnitt 9 von 10 Personen, die in Glücksspiele investieren. Und wenn man dann doch einmal etwas gewinnt, ist der Betrag meist verschwindend gering. 
Wir tendieren gleichzeitig dazu, eintretende Ereignisse zu unter-, aber auch zu überschätzen – z.B. weil ihre mediale Aufmerksamkeit oder die schwerwiegenden Auswirkungen uns vergessen lassen, wie selten sie passieren. Um das zu vermeiden und einen realistischen Überblick über Verbraucherrisiken zu erhalten, lohnt sich ein Blick in unsere Risikostraße. Wie wahrscheinlich ereilen mich Verspätungen im Fernverkehr? Wie wahrscheinlich wird meine Rechtsschutzversicherung zum Einsatz kommen? Über die statistischen Wahrscheinlichkeiten solcher und anderer Risiken kann unsere Risikostraße Auskunft geben. 

Wann brauche ich die Grafik?

Die Risikostraße soll Ihnen einen Überblick verschaffen und Orientierung bieten. Sie dient nicht dazu, konkrete Entscheidungen direkt zu unterstützen.
 

Was zeigt die Visualisierung?

Die Risikostraße ordnet verschiedene Verbraucherrisiken nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres. Hierbei ist die Bandbreite von fast sicheren Ereignissen bis hin zu extrem seltenen Vorkommnissen dargestellt. Angefangen bei sehr wahrscheinlichen Geschehnissen – so beispielsweise das Risiko, kein Geld beim Glücksspiel zu gewinnen (90.000 von 100.000 Spielern machen in einem Jahr keinen Gewinn) – können Sie sich mithilfe der Steuerungsleiste am rechten Rand, mit dem Mausrad oder mit den Pfeiltasten auf Ihrer Tastatur durch die Ereignisse navigieren. Übrigens: Mit der Taste „Pos1“ können Sie an den Anfang der Risikostraße springen, mit der Taste „Ende“ erreichen Sie das am wenigsten wahrscheinliche Ereignis auf der Straße. 
Um Ereignisse, die nicht ähnlich wahrscheinlich sind, zu vergleichen, lassen sich Verbraucherrisiken mit einem Lesezeichen versehen. So formen Sie eine sortierte Liste, die wiederrum als PDF exportierbar ist. Details zu den einzelnen Risiken – wie die Datenquelle und die Qualität der Daten  – werden durch einen Klick auf den Risiko-Balken im Fenster eingeblendet. Das Häufigkeitsformat mit je 100.000 als Referenzgruppe und die Angabe der absoluten Zahlen soll die Verwendung von kleineren Prozentzahlen vermeiden. Es ist bekannt, dass Prozentangaben von Eintrittswahrscheinlichkeiten seltener Ereignisse (<1%) von einem großen Teil der Menschen falsch eingeschätzt werden. Zusätzliche Sortierungen nach Alter und Geschlecht sind möglich, wenn die Datenlage es zulässt.

Quelle und Qualität der Daten

Woher stammen die Zahlen?

  • Bach et al., 2014. DIW.
  • BKA Bundeslagebild 2017.
  • http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/
  • http://comms.sita.aero/rs/089-zse-857/images/baggage-report-2017.pdf
  • http://now.symassets.com/content/dam/norton/global/pdfs/norton_cybersecurity_insights/DE_NCSIR_2017.pdf
  • https://de.reuters.com/article/deutschland-hacker-umfrage-idDEKCN1P3123
  • https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150565/umfrage/privatinsolvenzen-in-deutschland-seit-2000/
  • https://lssh.de/wp-content/uploads/2018/07/Zusammenfassung-der-BZgA-Studie-Gl%C3%BCcksspielverhalten-und-Gl%C3%BCcksspielsucht-in-Deutschland.-Ergebnisse-des-Surveys-2017-und-Trends.pdf
  • https://reklamation.com/statistik/
  • https://rp-online.de/politik/deutschland/7-6-millionen-menschen-erhalten-mindestsicherung_aid-33912859
  • https://wiwi.hs-duesseldorf.de/personen/nikola.ziehe/Documents/Kraemer%20Kalka%20Ziehe%20-%20Personalisiertes%20und%20dynamisches%20Pricing%20aus%20Einzelhandels-%20und%20Verbrauchersicht%20261110F.pdf
  • https://www.ages.at/fileadmin/AGES2015/Themen/Lebensmittel_Dateien/Lebensmittelsicherheit_und_Hygiene_im_Privathaushalt_13_12_2013.pdf
  • https://www.berlin-suchtpraevention.de/wp-content/uploads/2016/10/2015_BZgA_Ergebnisbericht_Glcksspielsucht.pdf
  • https://www.bfach.de/media/file/24871.Marktstudie_2018_Konsum-Kfz-Finanzierung_BFACH.pdf
  • https://www.bfr.bund.de/cm/350/verbrauchertipps_schutz_vor_lebensmittelinfektionen_im_privathaushalt.pdf
  • https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-zweite-Internetnutzer-von-Cyberkriminalitaet-betroffen
  • https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/28122017_Telekommunikation.html
  • https://www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/crefo/download_de/news_termine/wirtschaftsforschung/schuldneratlas/Analyse_SchuldnerAtlas_2018.pdf
  • https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/07/PD16_243_122.html
  • https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen/Ueberschuldung/EVS_GeldImmobilienvermoegenSchulden2152602139004.pdf?__blob=publicationFile
  • https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen/Eurostat_MaterielleEntbehrung_SILC.html
  • https://www.focus.de/finanzen/news/2-2-millionen-euro-schaden-wieder-mehr-betrug-mit-bankkarten-branche-ohne-sorge_id_8294582.html
  • https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=2ahUKEwj59o6a3pffAhUQp4sKHTghB0AQFjABegQICBAC&url=https%3A%2F%2Fwww.presseportal.de%2Fdownload%2Fdocument%2F312756-umfrageergebnisse-dispo-nutzung-2015.pdf&usg=AOvVaw29t51ca1TN77Eh8-BRGgkP
  • https://www.marktwaechter.de/sites/default/files/downloads/schadensfaelle-auf-dem-grauen-kapitalmarkt.pdf
  • https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/assets/cyber-security-identitaetsdiebstahl-2016.pdf
  • https://www.reisereporter.de/artikel/1947-flugausfaelle-flugverspaetung-taeglich-69-faelle-probleme-mit-fluegen
  • https://www.schlichtungsstelle-energie.de/presse/presseartikel/taetigkeitsbericht-der-schlichtungsstelle-energie-39.html;  Bericht der Bundesnetzagentur 2017
  • https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb4/prof/VWL/OAR/Hornuf_Schmitt_-_Success_and_Failure_in_Equity_Crowdfunding.pdf
  • https://www.zugreiseblog.de/bahn-puenktlichkeit-statistik/
  • Schufa-Report 2018.
  • Schufa-Report 2018.
  • Statistisches Jahrbuch der Versicherungswirtschaft.
  • VATM_TK-Marktstudie-2018_091018_f
  • Zusammenfassung-der-BZgA-Studie-Glücksspielverhalten-und-Glücksspielsucht-in-Deutschland.-Ergebnisse-des-Surveys-2017-und-Trends

 

Wie hoch ist die Qualität der Daten?

Die Zahlen und Daten, die der Risikovergleich beinhaltet, stammen aus verschiedenen Quellen, z.B. aus Häufigkeitsbeobachtungen öffentlicher Verzeichnisse, Befragungen, Bevölkerungsstudien oder Modellierungen. Die meisten dieser Risikoschätzungen zeichnen sich durch relativ niedrige Evidenzqualität aus. Dies bedeutet, dass zukünftige Messungen wahrscheinlich zu anderen Ergebnissen führen werden.

Dies hat mehrere Ursachen:
1) Es fehlen randomisierte kontrollierte Studien, welche das Handeln und Nichthandeln als Verbraucher miteinander vergleichen und so belegen könnten, dass bestimmte Ereignisse von diesen Handlungen hervorgerufen werden.
2) Die Erfassung des Vorkommens von Verbraucherereignissen in Deutschland beruht zu wenig auf qualitativen systematischen Bevölkerungsstudien, sondern es werden vorrangig Betroffenenzahlen erfasst.
3) Erfassungen von Verbraucherrisiken unterliegen auch immer Interessenskonflikten bzw. Eigeninteressen, welche die Aussagekraft von Daten schwächen können.

 

Datum der letzten Aktualisierung: 14. Oktober 2019

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